Diagonale Filmfestival
     
  Robert Frank

Robert Frank - 1924 in Zürich geboren und nach einer Fotografieausbildung bereits 1947 in die USA ausgewandert - umgibt schon zu Lebzeiten die Aura einer Legende. Seit der Publikation seines berühmten Fotobuches The Americans (1958) gilt er als einer der bedeutendsten Fotokünstler. Um seine Ausdrucksmöglichkeiten zu erweitern und seinem Image als Starfotograf zu entkommen, begann er mit dem Filmemachen. Basierend auf dem Stück The Beat Generation von Jack Kerouac realisierte er gemeinsam mit dem Maler Alfred Lesley seinen ersten Film Pull My Daisy (1959) mit (Selbst)Darstellern wie Allen Ginsberg, Peter Orlovsky, Gregory Corso, Alice Neal, David Amram und Kerouac. Pull My Daisy wird zu einem Kult-Klassiker des Lebensgefühls der Beats und gemeinsam mit John Cassavetes' Shadows der Beginn des New American Cinema.
Me and My Brother (1968) wurde als Portrait von Julius Orlovsky, dem an Katatonie erkrankten Bruder des Beat-Poeten Peter Orlovsky begonnen und entwickelte sich zu einem Film über das Filmemachen und seinem komplexesten Werk, im speziellen über das Ineinandergreifen von Inszenierung und Darstellung der Wirklichkeit.
Das Scheitern der Macht des Mannes hinter der Kamera und die Verweigerung des Objekts bleibt auch in seinem nächsten Film Conversations in Vermont (1969) Thema. Es ist sein erster eindeutig autobiografischer Film, ein Versuch, über ältere Familienfotos eine Verbindung und Kommunikation mit seinen Kindern zu finden.

Nachdem er das Cover zu Exile on Main Street von den Rolling Stones gestaltet hatte, gab ihm die Band den Auftrag für den Film Cocksucker Blues (1972), der ihre Tournee durch die Vereinigten Staaten im gleichen Jahr dokumentiert. Auch dieser Film wird zum Mythos, da er - wie es heisst - nur einmal pro Jahr in Anwesenheit des Regisseurs gezeigt werden darf.
Die Suche nach künstlerischem Ausdruck und die Befragung der Bilder nach ihren vielfältigen Bedeutungen sind Bestandteil des künstlerischen Werkes von Robert Frank. Er integriert und artikuliert diese Suche besonders in seinen Filmen und Videos und reflektiert nicht nur seine Rolle als Künstler und Illusionist, sondern zunehmend auch die als privates Subjekt, als Ehemann, Freund und Vater, der an seiner Erziehung zweifelt und den Verlust seiner Kinder erleiden muss. Seine Tochter Andrea stirbt bei einem Flugzeugabsturz, sein Sohn Pablo nimmt sich nach einigen Aufenthalten in der Psychiatrie das Leben.

Der Anspruch mittels seiner Kunst, etwas über das eigene Leben freizulegen, bedingt für Robert Frank eine formale Radikalität: Autobiografisches mischt sich mit Fiktionalem und Dokumentarischem. Er erneuert seine autobiografischen Methoden immer wieder und befragt zunehmend mit den Filmen auch seine Fotos als Zeugnisse der Vergangenheit. Nicht nur seine späten Videos Home Improvements (1994), The Present (1996) und Flamingo (1997) sind fragmentarische filmische Tagebücher, in denen Robert Frank die Intimität der Videokamera für seine Suche nach Bildern, die sein Inneres spiegeln, vorzieht.
In Franks vielschichtigem Oeuvre finden sich darüber hinaus die Road-movies Candy Mountain (1987) und Hunter (1989), autobiografische Fiktionalisierungen wie About Me: A Musical (1969) und Last Supper (1992), Musikvideos für New Order und Patti Smith als auch Dokumentarfilme wie Liferaft Earth (1969), This Song for Jack (1985), San Yu (2000) und Paper Route (2002).

(Brigitta Burger-Utzer, Sixpack Film)